[Lesetipp] Wurfschatten – Simone Lappert

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Was, wenn du jung bist, aber nicht lebendig? Wenn du es nie schaffst, dem Strom zu folgen, in dem sich alle anderen so spielend leicht bewegen. Wenn alles so intensiv ist, dass es dich zu zersprengen droht. Wenn die Dunkelheit nur darauf zu warten scheint, dass sie dich verspeisen kann. So scheint das Leben für die 25-jährige Ada zu sein. Sie lebt ohne zu leben. 

Mitten in der Blüte ihres Lebens und am Anfang ihrer Karriere als Schauspielerin angekommen, wo ihre Freunde sich keinen Spaß entgehen lassen, gibt es für sie nur einen Mittelpunkt: die bedingungslose Angst. Täglich dreht sie sich mit ihr im Kreis und um sich selbst. Gefangen in einem beinahe tödlichen Strudel aus Leere und Fremdheit versucht sie ihren düsteren Schatten abzulegen. Sucht ein Mittel gegen die Starre. Einen Ausweg. Ein System in der Unordnung. Bis eines Tages eine Überraschung auf sie wartet, die sie noch mehr zu bedrohen scheint…

Beim Lesen hatte ich das Gefühl, das Buch macht alles ganz still und jedes Umblättern ist zu laut. Die Intensität der Worte und der Protagonistin haben sich eindeutig auf mich übertragen. Man geht auf eine Reise mit Ada und weiß, es gibt so schnell kein Zurück. Sie muss dadurch und man als Leser mit ihr. 

Das Debüt „Wurfschatten“ von Simone Lappert umfasst nur wenige 200 Seiten, die es dem Leser schwer machen, einfach chronologisch den Seitennummern zu folgen und die Geschichte so wegzulesen. Ich musste immer wieder Pausen machen und Adas Gedanken wie die Wortbilder der Autorin hallten in mir nach. Ich wusste zunächst nicht, wo ich mit dem Markieren aufhören sollte. Alles wollte ich anstreichen; nichts verpassen. Länger habe ich kein so intensives Buch gelesen. Man möchte es öfter weglegen und kann es aber irgendwie nicht, weil es eine merkwürdige Neugier hervorruft. Es lockt einen immer wieder zurück. In Adas Welt. In ihrem Kampf. Dem eigenen Zwiespalt.

Und dann kommt Juri. Und er ist nicht nur für Ada ein Eindringling, sondern irgendwie auch für den Leser. Hatte man sich doch mit in ihre Welt der Angst verschließen lassen, an dessen Tür jetzt ein Fremder klopft. Und man wartet vorsichtig, welchen Platz er in ihrem Stück einnehmen wird und möchte jedes mal mit ihr die Luft anhalten, wenn er auftritt. Er nähert sich ihr langsam, auf Zehenspitzen und doch erschreckt er sie jedes Mal zu Tode.

Ich wurde zu ihrem Leseschatten. Von da an gab es nur noch die beiden in ihrer unvollkommnen Einheit, die nahezu ohne Anstrengungen gleichzeitig vollkommen erschien. Als hätte man die richtigen Worte auf die richtige Seite geklebt. Man will wissen, ob er es schafft, ihre Schatten zu vertreiben, um Platz für das Licht zu machen. Ob es ihr gelingt, sollte jeder Leser für sich selbst entdecken. Man bangt, hofft, leidet. Aber es lohnt sich.

Die außergewöhnliche Gestaltung der Buchseiten trägt ebenfalls dazu bei, es zu einem besonderen Leseerlebnis zu machen. Ich bin dankbar, dass es solche Bücher noch gibt und der METROLIT Verlag so mutig war, diese großartige Buch von Simone Lappert zu veröffentlichen! Geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, lebt und arbeitet sie in Basel. Sie studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2013 wurde Simone Lappert mit dem Heinz-Weder-Preis für Lyrik ausgezeichnet. 2014 erhielt sie den österreichischen Wartholz-Preis als beste Newcomerin. Auch war sie Stipendiatin des 16. Klagenfurter Literaturkurses und des Literarischen Colloquiums Berlin. Meiner Meinung nach zurecht. Trotzdem ist diese Geschichte nicht selbstverständlich. Ihr Schreibstil und das Thema werden sicher nicht jeden Geschmack treffen, aber ich möchte dieses Buch jedem Leser ans Herz legen und hoffe, dass die Autorin auch zukünftig noch mehr solcher fabelhafter Bücher veröffentlichen wird.

Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich über die Leseprobe bereits einen ersten Eindruck verschaffen.

Mir bleibt nur noch eins:

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3 Gedanken zu „[Lesetipp] Wurfschatten – Simone Lappert

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